© Blick; 12.01.2004; Nummer 8; Seite A7
BlickKultur
Neue Schweizer Stücke uraufgeführt

Aus dem Leben gegriffen
Bern Schwadroneure am Stammtisch

BERN. Das neue Mundartstück des Schweizer Autors Guy Krneta (40) spielt in der Beiz um die Ecke.«Das Leben ist viel zu kurz, um offene Weine zu trinken», lautet der Titel. Uraufführung war am Samstag im Schlachthaus Theater Bern.
Von Walo von Fellenberg
Das Dreimännerstück besteht aus einem Kneipengespräch zweier alternder Männer von unterschiedlicher politischer Parteizugehörigkeit. Beide versuchen, sich politisch zu artikulieren. Doch was der Drogist und SVP-Gemeinderat Louis und der Alt-SP-Nationalrat Geri voneinander wollen, bleibt nebulös. Beim Schwadronieren kommen sie sich jedenfalls menschlich fast zu nahe.
Der virtuose Dialog erweckt den Eindruck, als sei er unmittelbar der Wirklichkeit abgelauscht. Dabei handelt es sich um eine sprachlich und künstlerisch raffinierte Mundart-Partitur, eine Wort-Girlande rund um eine menschliche Alltagstragödie: Die beiden Hauptfiguren haben Angst vor dem Alleinsein. Um ein Haar gelingt es dem weichen Geri, den verhärmten Louis zu überreden, ihm ins Hotelzimmer zu folgen und seinen Rausch auszuschlafen. Dramatische Überraschung ist der Auftritt des Barkeepers und früheren Bärenwärters Franz, der den beiden Stammtischlern den Kick des verruchten Lebens vermittelt.
Thomas U. Hostettler, Herwig Ursin und Markus Mathis spielen, als seien sie direkt von der Kneipe auf die Bühne geholt worden. Regisseurin Ursina Greuel trägt viel Spannung und Dynamik in das Gespräch: Boulevard-Theater pur. Die Uraufführung erntete begeisterten Applaus.