Guten Tag, Grüezi und Servus
Guy Krneta, Till Löffler: "Fondue Oper"; Eva Steffen: "Wir sind gekommen, um zu bleiben"
Von Florian Felix Weyh


Wenn Deutsche in die Schweiz oder nach Österreich auswandern, prallen unterschiedliche Mentalitäten aufeinander. In den Hörbüchern "Fondue Oper" und "Wir sind gekommen, um zu bleiben" werden Unterschiede zwischen "Guten Tag", "Grüezi" und "Servus" humorvoll geschildert.
Deutschland ist für die Schweiz wichtig. Diese Beziehung müssen wir pflegen! Im Grunde genommen sind uns die Deutschen ja viel näher als unsere eigenen Landsleute, die Romands und die Tessiner. Ich meine das nicht so ernst! Aber wir reden die gleiche Sprache. Wir gehören dem gleichen Kulturraum an, oder?

Ja, das glauben sie beide, die Deutschen, die in die Schweiz gehen, und die Deutschschweizer, die den nördlichen Nachbarn besuchen. Wobei Ersteres zurzeit größere Probleme aufwirft, klopfen die Alemannen doch beinahe täglich am Tor des helvetischen Wirtschaftsparadieses an:

"Guten Tag allerseits!" Ralf, ein Deutscher steht in der Tür. In der Hand einen riesigen Blumenstrauß. "Guten Tag!" - "Guten Tag." - "Guten Tag!" - "Grüezi!"

Zunächst ist die Verständigung gar nicht schwer, wenn die Schweizer fein Hochdeutsch parlieren und sich die Deutschen wenigstens rhythmisch ein bisschen anpassen. Oder sollten sie sich vielleicht lieber doch nicht allzu beflissen bemühen, weil das schon wieder einen unangenehmen teutonischen Perfektionismus ahnen lässt?

1: Soll ich dir mal was sagen? Ich finde es lächerlich, wenn Deutsche versuchen, Schweizerdeutsch zu sprechen!

2: Und ich finde deine Standardsprache lächerlich! So was von lächerlich!

1: Ah, da haben wir's wieder! Die deutsche Überheblichkeit!

3: Hast du Nazi gesagt?

1: Ich hab nicht Nazi gesagt.

3: Natürlich hast du Nazi gesagt!

1: Ich sage nie Nazi. Wenn schon, sag ich Fascho.

3: Du sagst Fascho?!

1: Ich hab nicht Fascho gesagt.

3: Da hast du aber Glück gehabt, du ... Urs!

Schnell kochen die Emotionen hoch beim Fondue in einer Schweizer Beizn, in der drei exemplarische Fraktionen aufeinandertreffen: ein helvetischer Lehrer, der lieber "Standardsprache" als Mundart spricht, eine deutschstämmige Autorin, die im Herzen längst Schweizerin geworden ist, und ein arbeitsuchender Zahntechnikvertreter aus Darmstadt. Nur von Musik gemildert prallen die Vorurteile in der "Fondue Oper" aufeinander und zeigen die unerwartet heftigen Differenzen zwischen den Nachbarn. Man kann sich noch nicht einmal einigen, wie das auszusprechen sei, was da vor einem auf dem Tisch steht:

"Es heißt ja auch nicht Fondue" - großer Betonungswettstreit um "Fondue" und "Caquelon"

Die "Fondue Oper" von Guy Krneta (Text) und Till Löffler (Musik) ist ein großer Hörspaß, bei dem auch mit Berndeutsch unvertraute Ohren auf ihre Kosten kommen. Doch weist bei aller Unterhaltsamkeit der Spaß einen ernsten Kern auf. Man könnte ihn mit einem viel zitierten Bonmot charakterisieren, das abwechselnd Oscar Wilde, George Bernhard Shaw und Karl Kraus zugeschrieben wurde: Land A und Land B seien durch eine "gemeinsame Sprache getrennt". Mal sind's die USA und Großbritannien, mal Deutschland und die Schweiz oder Österreich und Deutschland.

Felix Austria hat nämlich ebenfalls ein Überfremdungsproblem. Hier heißen die deutschen Zuwanderer, die den österreichischen Arbeitsmarkt und die Universitäten stürmen, wenig schmeichelhaft: Piefkes. 40.382 Deutsche leben zurzeit alleine in Wien - ein ganzer Stadtteil sozusagen, und Wien wäre nicht die Hauptstadt Kakaniens, wüsste man dort nicht auch, wie viele davon auf der Straße hausen: 36 obdachlose Piefkes sind bei den Behörden registriert.

Solch skurrile Daten entnimmt man dem schönen Essayband "Wir sind gekommen, um zu bleiben", herausgegeben von Eva Steffen. Wer da als Österreicher einen drohenden Unterton vernimmt, liegt ganz richtig. Der meist akademisch gebildete Piefke liebt im Gegensatz zu seinem einheimischen Standeskollegen die kleine Alpenrepublik abgöttisch und sehen keinen Grund, sie je wieder zu verlassen. Während unter österreichischen Intellektuellen die Landesbeschimpfung zum guten Ton gehört, lassen die deutschen Gästen kein böses Wörtchen fallen, obwohl man es ihnen - fast stärker noch als in der Schweiz - mit der Integration ganz schön schwer macht.

Die Sprache ist eine reine Fallgrube, weil ihre Ähnlichkeit krasse Mentalitätsunterschiede geschickt kaschiert, nicht bloß beim Speisekartenklassiker Karfiol und Fisolen. Dazu gesellen sich inkompatible Arbeitsgeschwindigkeiten, unterschiedliche Auffassungen, was sozial adäquates Verhalten sei und eine gänzlich differierende Welt- und Geschichtsauffassung von protestantisch-reflektierend und katholisch-schicksalsergeben, wie sie sich beispielhaft in einem Witz bündelt.

Sagt der dauerhaft angesäuselte Wiener zum stocknüchternen Piefke: "Du bist Spiegelleser, wir sind Spiegeltrinker." Das ist für beide Seiten so wahr wie beleidigend, denn aus kakanischer Sicht kann ein Nichttrinker kaum als vollwertiger Mensch gelten. Um gegen derartige Bosheiten gewappnet zu sein, sollte man beim nächsten Österreichtrip statt eines Reiseführers lieber dieses Buch mitnehmen, und wer in die Schweiz fährt, höre zuvor in die "Fondue Oper" hinein. Sie schult das Ohr für fremde Töne - und innig klingt sie noch dazu:

"Ich singe auf Schwitzerdütsch und Lütt verstans"

Guy Krneta, Till Löffler: Fondue Oper
Von Schweizern und Deutschen
1 CD, 75 Minuten, Christoph Merian Verlag